Warum kann an der Spitze der Abfallhierarchie nicht die Abfallvermeidung anstelle der Vermeidung stehen?

Der Inbegriff der Abfallvermeidung ist, dass kein Abfall entsteht. Die Abfallhierarchie gibt laut Art. 4 Abs. AbfRRL (Abfallrahmenrichtlinie) jedoch den Handlungsbedarf für die Abfallvermeidung und die Abfallbewirtschaftung vor. 

Daher steht die Vermeidung allgemein verbindlich auch für den Umgang mit erzeugten Abfällen an erster Stelle der Abfallhierarchie. 

Die Vorgehensweise bei der Abfallbewirtschaftung soll demnach darauf ausgerichtet sein, möglichst viele Abfälle so zu behandeln, dass diese anschließend kein Abfall mehr sind. Das Ende der Abfalleigenschaft und damit die Vermeidung der erzeugten Abfälle haben bei der Abfallbewirtschaftung innerhalb der Abfallhierarchie oberste Priorität. Dieses Ziel kann nur durch die Vorbereitung von Abfällen zu deren Wiederverwendung erreicht werden. Erst, wenn es nach dieser Maßnahme zu einer Weitergabe für eine Wiederverwendung kommt, ist das Ende der Abfalleigenschaft und damit die Vermeidung vollzogen. 

Nur die Übertragung der Sachherrschaft über einen Abfall gewordenen Gegenstand von einem Abfallbesitzer auf einen Wiederverwender kann innerhalb der Abfallbewirtschaftung das Kriterium einer vorrangigen Vermeidung erfüllen.
 

Was ist abfallrechtlich eine Wiederverwendung ?

 

Für eine Wiederverwendung setzt das Abfallrecht grundsätzlich voraus, dass ein Gegenstand zuvor Abfall war. Denn die Vorbereitung zur Wiederverwendung ist ein Umgang mit für die Wiederverwendung geeigneten, zu Abfall gewordenen Gegenständen. Werden solche Gegenstände wiederverwendet, dann endet damit auch deren Abfalleigenschaft. Das KrWG bringt genau das zum Ausdruck:

§3 (24) Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wieder für denselben Zweck verwendet werden können, für den sie ursprünglich bestimmt waren. 
 

§ 5 Ende der Abfalleigenschaft

(1) Die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes endet, wenn dieser ein Recycling oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen hat und so beschaffen ist, dass

1. er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, ...

 

§ 3 (21) Wiederverwendung im Sinne dieses Gesetzes ist jedes Verfahren, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für denselben Zweck verwendet werden, für den sie ursprünglich bestimmt waren.

Bei der Abfallvermeidung kommt es dagegen anstelle einer Entledigung zu einer Weiterverwendung. Da die Weiterverwendung der Vermeidung von Abfällen dient und infolgedessen nichts mit der Abfallbewirtschaftung zu tun hat, wird sie auch in den Begriffsbestimmungen des KrWG nicht aufgeführt.  
 

Sowohl die Abfallrahmenrichtlinie als auch das Kreislaufwirtschaftsgesetz sind Regelwerke für den Umgang mit Abfällen. Gegenstände, die gar nicht weggeworfen werden sollen und auch nicht weggeworfen werden, fallen daher auch nicht unter die Regelungen für die Abfallbewirtschaftung.

Wer nicht in der Lage ist nachzuvollziehen, dass aufgrund des Abfallrechts eine Wiederverwendung nur nach der Entledigung umgesetzt werden kann, wird auch nie den Handlungsbedarf zur Umsetzung der Abfallhierarchie erfassen.

Die Wiederverwendung dient nicht der Abfallvermeidung, sondern vermeidet, dass die dafür geeigneten Gegenstände weiterhin im Abfall bleiben und beim Recycling zerstört werden.

Ob etwas weiterverwendet wird, um eine Entledigung abzuwenden, oder es zu einer Wiederverwendung nach einer erfolgten Entledigung kommt, dient in jedem Fall dazu, das Abfallvolumen zu reduzieren und den Ressourcenverbrauch zu verringern. Daher zielt die Vorgabe der Vermeidung auf beide Handlungsfelder ab.

 

Abfallrahmenrichtlinie

Artikel 4
Abfallhierarchie


(1) Folgende Abfallhierarchie liegt den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen im Bereich der Abfallvermeidung und -bewirtschaftung als Prioritätenfolge zugrunde:


a) Vermeidung
b) Vorbereitung zur Wiederverwendung,
c) Recycling,
d) sonstige Verwertung, z.B. energetische Verwertung,
e) Beseitigung.

Quelle: Abfallrahmenrichtline
 

Wie wirkt sich die Abfallhierarchie auf die Wirtschaftlichkeit von Reparaturen aus? 

Bevor die fünfstufige Abfallhierarchie zum 1.6.2012 eingeführt wurde, war die Abfallhierarchie dreistufig und auf die Vermeidung, das Recycling und die Beseitigung begrenzt. Im Handlungsfeld der Abfallvermeidung sollte u. a. durch Reparaturen die Erzeugung von Abfällen vermieden werden. Die Abfallbewirtschaftung war dagegen auf das Recycling und damit auf die Vermeidung der Beseitigung und Deponierung auszurichten.

Wenn Reparaturen anstehen, dann liegen die Kosten dafür nicht selten in einem ungünstigen Verhältnis zum Neuwert des defekten Gegenstands. Verbraucher, die die Kosten für eine Reparatur vermeiden wollen und lieber eine Neuanschaffung tätigen, konnten damals und können auch heute noch frei darüber entscheiden, welchen Weg sie wählen. So werden Reparaturen, wenn diese unwirtschaftlich erscheinen, häufig unterlassen und die von dieser Entscheidung betroffenen Gegenstände werden überwiegend Abfall.

Mit der Einführung der fünfstufigen Abfallhierarchie wurde innerhalb der Abfallbewirtschaftung als zusätzliche Stufe die Vorbereitung zur Wiederverwendung einer Sammlung für das Recycling von Abfällen vorangestellt. Diese zusätzliche, vorrangige Maßnahme soll dazu beitragen, dass auch dafür geeignete, im Abfall enthaltene Gegenstände geprüft, repariert, gereinigt und für eine Wiederverwendung vorbereitet werden. Damit wurde die für eine Vermeidung maßgebliche Aufgabe, auf eine Nutzungsverlängerung hinzuwirken, über die Abfallvermeidung hinaus auch auf die Abfallbewirtschaftung ausgeweitet.

In der Regel kommen Abfallerzeuger für die Kosten der Entledigung und Abfallbewirtschaftung auf, für den Abfallbesitzer bietet die Vorbereitung zur Wiederverwendung daher eine Möglichkeit, zusätzlichen Umsatz zu generieren. Für denjenigen, der einen Gegenstand vom Abfallerzeuger übernimmt, ist es als Abfallbesitzer daher relevant, welchen Restwert er durch eine Prüfung, Reparatur und Reinigung für einen zu Abfall gewordenen Gegenstand erzielen kann.

Der Vergleich mit dem Neupreis ist hierbei nur noch für die Höhe des Verkaufspreises notwendig. Denn eine Vorbereitung zur Wiederverwendung ist unwirtschaftlich, wenn der benötigte Erlös für diese Maßnahme über dem Neupreis eines vergleichbaren Gegenstands liegen muss, wird jedoch wirtschaftlich, wenn zur Deckung des Aufwands idealerweise 25 bis 30 % vom Neupreis ausreichen. Ob diese abfallrechtliche Maßnahme wirtschaftlich ist, hängt also davon ab, dass die für eine Weitergabe zur Wiederverwendung erzielbaren Einnahmen so hoch sind, als wenn eine Reparatur als Dienstleistung für einen Verbraucher durchgeführt und abgerechnet werden würde. 

Aufgrund der Abfallhierarchie kommt es also dazu, dass für den Verbraucher unwirtschaftlich erscheinende Reparaturen, die eine Abfallerzeugung auslösen, innerhalb der Abfallbewirtschaftung aus einem wirtschaftlichen Interesse heraus durchgeführt werden.

Der Ansatz zum Erhalt der in einem entledigten Gegenstand enthaltenen Nutzungsreserve besteht lediglich darin, dass der zu erzielende Restwert die Kosten für die Vorbereitung zur Wiederverwendung decken muss.

Der Unterschied

Welcher Unterschied besteht eigentlich zwischen der ehemals 3-stufigen und heute 5-stufigen Abfallhierarchie?

 

 

 

 

 

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